Die politischen Parteien und Wählergruppen in Rheinland-Pfalz
Die Politik der französischen Besatzungsverwaltung
Blickt man auf die institutionelle, mitunter auch auf die programmatische Ausformung der politischen Parteien in Rheinland-Pfalz, muss man in den frühesten Nachkriegsjahren die lokale von der Landesebene unterscheiden. Geleitet von strategischen wie sicherheitspolitischen Motiven begünstigte die französische Besatzungsmacht nämlich zunächst örtliche Parteibildungen gegenüber regionalen und überregionalen Zusammenschlüssen. Die von Skepsis wie Kalkül geleitete Zurückhaltung der französischen Behörden bei der politischen Selbstorganisation förderte zwangsläufig die Herausbildung von Sonderentwicklungen, die aufgrund der regional unterschiedlichen Prägungen des späteren „Bindestrich-Bundeslandes“ per se nahelagen. Zunächst konzessionierte man daher nur lokale Parteibildungen – in der Summe (so Willis 1962, S. 191) offenbar nicht weniger als 1.052! Überregionale Parteien wurden in der Besatzungszone dagegen vergleichsweise spät, nämlich erst ab dem 13.12.1945 zugelassen. Am Anfang standen Sozialisten und Kommunisten, in den ersten Januartagen 1946 folgte die Zulassung für die Christdemokraten.
CDU/CDP
Wohl am deutlichsten wirkten sich regionale Differenzen im Spektrum der Christdemokraten aus. In den ersten Nachkriegsjahren waren die Konservativen noch gespalten, was der Situation in Bayern (CSU und Bayernpartei) nicht unähnlich war: Der eine Flügel zeigte sich entschieden konfessionell (katholisch) ausgerichtet und orientierte sich, nicht zuletzt auch bedingt durch personelle Kontinuitäten, an der alten Zentrum-Partei. Für deren Wiederaufleben aber mangelte es sowohl an Unterstützung durch die Besatzungsmacht als auch in der Breite der Bevölkerung. Hinzu kamen divergierende nationale Leitvorstellungen und damit auch bündnispolitische Erwägungen, da sich der „Kalte Krieg“ bereits abzeichnete, noch bevor es zur Spaltung Berlins ab Februar 1948 kam. Als zunächst kommunal verankerte Partei war die CDP offiziell schon am 20.9.1945 in Trier gegründet und am 4.12.1945 konzessioniert worden. Der Gründungsakt fand im Februar des folgenden Jahres in Koblenz statt. In der gemischtkonfessionellen Pfalz wurde dagegen der direkte Weg zur CDU angesteuert, die sich dort schon aus wahlstrategischen Gründen eher als überkonfessionelle Partei anbot. Ungeachtet zwischenzeitlicher Zusammenschlüsse führten die Parteien zunächst ein Paralleldasein, bis sie sich unter dem Namen „Christlich Demokratische Union“ am 14.2.1947 in Bad Kreuznach zu einem Landesverband konstituierten. Paradoxerweise, so will es scheinen, gab erst die von französischer Seite betriebene Landesgründung den Anstoß zur somit erfolgten Konsolidierung der Landes-CDU. Gemessen an den Landtagswahlen sollte die CDU bis 1991 die höchste Zustimmung der Wählerinnen und Wähler genießen, wobei man 1946 und von 1971 bis 1983 sogar die absolute Mehrheit erzielte.
SPD
Die Sozialdemokraten konstituierten sich Mitte April 1946 in Kaiserslautern, zunächst als „SP“, weil man den gesamtdeutschen Bezug bezeichnenderweise zurückstellte. Dessen ungeachtet stellte man sich demonstrativ in die Kontinuität der Weimarer Sozialdemokratie. Vor dem Zusammenschluss zur Landespartei bestanden sozialdemokratische Bezirksparteien in Hessen-Pfalz und der Provinz Rheinland-Hessen-Nassau. Sie lagen damit sichtbar außerhalb der katholischen Zentren. Die Distanz gegenüber der bei CDU/CDP vorwaltenden Konfessionsfrage äußerte sich sinnfällig in der (erfolglosen) Ablehnung der Konfessionsschule in der beratenden Landesversammlung gemeinsam mit der KPD. Die Skepsis gegenüber der Landesgründung war gerade in der SPD stark verwurzelt. Die Gründe dafür sind im distanzierten Verhältnis führender SPD-Repräsentanten gegenüber Frankreich zu sehen und der (eher berechtigten) Befürchtung, man würde sich im vorwiegend agrarisch-katholischen Raum künftig keine Geltung verschaffen können. Gegenüber der CDU zeigte sich somit ein langfristig wirksames Organisations- und Mobilisierungsproblem.
KPD
Die KPD entstand zeitlich parallel zur SPD am 16.1.1946. Wenig später profitierten die Kommunisten von dem Umstand, dass in Frankreich Linksparteien von Ende November 1946 an über zwei Jahre hinweg im Rahmen einer „Volksfront“ die Regierung stellten. Diese sorgte dafür, dass die KPD an den ersten beiden Kabinetten in Rheinland-Pfalz beteiligt wurde. Mit der Landtagswahl 1951 verlor die Partei indes mehr als die Hälfte der Stimmen (8,7 auf 4,3%) und konnte sich bis zum Verbot der Partei 1956 nicht mehr konsolidieren.
FDP
Die Liberalen firmierten in der französischen Besatzungszone noch als „Demokratische Partei“ (DP). Die aus Nordrhein-Westfalen geläufige Bezeichnung „FDP“ nahmen sie erst nach den Beschlüssen von Heppenheim (12. Dezember 1948) an. Auf Landesebene sollten sie bis heute nur dreimal eine niedrige zweistellige Prozentzahl der Wählerstimmen erlangen (1951, 1955, 1963).
Wählergruppen
Auf Grundlage der Gemeindewahlordnung (§ 10) waren neben den Parteien auch ungebundene Gruppen zur Teilnahme an der Kommunalwahl berechtigt. In ihnen versammelten sich teils lokale Honoratioren bzw. bekannte Persönlichkeiten, die sich – aus welchen Motiven auch immer – den sich etablierenden Parteien nicht anschließen wollten. Zuspruch erhielten die freien Listen von Wählerinnen und Wählern ebenso aufgrund von Vorbehalten gegenüber den Parteien, gewiss aber auch aufgrund der oft hohen Reputation der namensgebenden Honoratioren. Während die freien Listen den Parteien meist ein Dorn im Auge waren, weil sie eine schwierig zu fassende Konkurrenz darstellten und weil man aus Erfahrung einer politischen Zersplitterung entgegenwirken wollte, standen die Wählergruppen aus prinzipiellen Erwägungen in der Gunst der französischen
Besatzungsverwaltung. Zuspruch erhielten die Wählergruppen damals wie heute in erster Linie in kleinen bis kleinsten Gemeinden (Heil 1997, S. 103–112). In den 1970er Jahren schlossen sich die Wählergruppen in Rheinland-Pfalz zu einem Landesverband zusammen (FWG Rheinland-Pfalz). Der Einzug in den rheinland-pfälzischen Landtag gelang den „Freien Wählern“ erstmals 2021. Vom Landesverband, der den Status einer Partei besitzt, ist der Dachverband der kommunalen Freien Wählergruppen in Rheinland-Pfalz zu unterscheiden.
Sonstige Parteien
Weitere Parteien konnten sich auf Landesebene in Rheinland-Pfalz bis um 1960 kein Gewicht verschaffen. Allein die rechtsextreme „Deutsche Reichspartei“ (DRP) brachte es 1959 auf ein einziges Landtagsmandat, so dass im Landtag bis zum Einzug der Grünen nur die Fraktionen der Parteien CDU, SPD und FDP vertreten waren. Mit Blick auf die Kommunalwahlen weicht das Bild kaum ab. Allerdings bedarf es hier noch detaillierter Befunde.
Literatur
- Becker, Klaus J., Die KPD in Rheinland-Pfalz 1946–1956 (= Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Bd. 22), Mainz 2011.
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Galonska, Andreas, Landesparteiensysteme im Föderalismus: Rheinland-Pfalz und Hessen 1945–1996, Wiesbaden 1999 (Kap. 5.3).
- Kißener, Michael, Kleine Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Karlsruhe 2006, hier S. 74–82.
- Kusch, Katrin, Die Wiedergründung der SPD in Rheinland-Pfalz nach dem Zweiten Weltkrieg (1945–1951) (= Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Bd. 12), Mainz 1989.
- Maier, Herbert, Die Entwicklung der kommunalen Politik und Organisation in den drei westlichen Besatzungszonen, in: Josef Becker / Theo Stammen / Peter Waldmann (Hgg.), Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, München 1979, S. 341–355.
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Martin, Anne, Die Entstehung der CDU in Rheinland-Pfalz (= Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Bd. 19), Mainz 1995.
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Martin, Anne, Die französische Besatzungspolitik und die Gründung der CDU in Rheinland-Pfalz, in: Historisch-Politische Mitteilungen. Archiv für Christlich-Demokratische Politik 2, H. 1 (1995), S. 131–148 [online].
- Sarcinelli, Ulrich / Werner, Timo S., Entwicklung und Wandel des Parteiensystems in Rheinland-Pfalz. Von der Vorherrschaft der CDU zur Dominanz der SPD?, Mainz 2010 [online].
- Willis, Frank R., The French in Germany 1945–1949 (= Stanford studies in history, economics, and political science, 23), Stanford 1962.
Verfasser: Stephan Laux (27.7.2023); letzte Veränderung: 29.2.2024.
Auf der Website verwendete Parteienkürzel:
Parteikürzel | Name |
CDP | Christlich-Demokratische Partei |
CDU | Christlich Demokratische Union Deutschlands |
DP | Deutsche Partei |
FDP | Freie Demokratische Partei |
FSU | Frei-Soziale Union |
KPD | Kommunistische Partei Deutschlands |
SPD | Sozialdemokratische Partei Deutschlands |
SU | Sozialistische Union Worms |
SV | Sozialer Volksbund |
UAP | Unabhängige Arbeiter-Partei (Deutsche Sozialisten) |