Gesetzliche und organisatorische Grundlagen der Kommunalwahlen

Während in der amerikanischen Besatzungszone schon zum Jahresende 1945 eine Gemeindeordnung erlassen worden war und die Briten im April 1946 nachzogen, verhielt sich die französische Besatzungsverwaltung diesbezüglich zunächst zurückhaltend und planerisch halbherzig. Im Bestreben, keinesfalls die Verfügungsmacht aus der Hand zu geben, konnte man freilich nicht ohne Bürgermeister und Ausschüsse auskommen, die aber keine Legitimation in der Bevölkerung besaßen, da sie von den Behörden nach Maßgabe guten Leumunds eingesetzt worden waren. Ab Ende Mai ergingen dann erste Maßnahmen auf dem Verordnungsweg, um die Wahlen zu den Gemeinderäten in Gang zu setzen (Heil 1997, S. 88–101).

Die ersten demokratischen Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung fanden am 15.9.1946 statt. Grundsätzlich wahlberechtigt waren alle Personen im Alter von mindestens 21 Jahren. Die Ausmaße und Verteilung der Wahlberechtigungen sind bislang kaum untersucht worden, was mit der mangelhaften Erforschung der Entnazifizierung im Bundesland zusammenhängt. Relevant sind hier in erster Linie die Wahlen von 1946 und 1948. Voraussetzung war die Eintragung in eine Wählerliste, für die eine eidesstattliche Versicherung mit mehreren Punkten erforderlich war, insbesondere der Nichtbetätigung in nationalsozialistischen Institutionen. Was die Masse der ehemaligen Parteigenossen („Pgs“) der NSDAP anbetraf, hieß es zunächst, dass alle, „die sich mehr als nur dem Namen nach beteiligt haben“, von der aktiven und natürlich passiven Wahl ausgeschlossen sein sollten (Verordnung Nr. 44, 28.7.1946, Art. 6c).

Über die Umsetzung dieser Bestimmung sind in Ermangelung von landesweiten Erhebungen Aussagen für das Bundesland-Rheinland-Pfalz wohl nicht möglich. In Bayern, Hessen-Württemberg-Baden lag die Zahl der Wahlberechtigten bei maximal 8,1% (ebd.). In Trier dagegen erhielten 1946 von 42.000 nominell wahlberechtigten Personen nur rund 34.600 Personen (82%) das Wahlrecht zuerkannt (Nachkriegswahlen, S. 5). Angesichts des verhältnismäßig geringen Mobilisierungsgrads der trierischen Bevölkerung durch die NSDAP lässt dies möglicherweise auf organisatorische Probleme der Spruchkammertätigkeiten schließen. Nachdem 1948 schon die letzten von mehreren „Mitläuferamnestien“ erlassen worden waren, sank die Quote der von der Wahl Ausgeschlossenen allerdings allerorten, auch in Trier.

Nach Inkrafttreten der Landesverfassung nahm die französische Besatzungsverwaltung keinen großen Einfluss mehr auf die weitere Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung. Diese erhielt ihre maßgebliche Ausprägung durch die neue, vom rheinland-pfälzischen Landtag erlassene Gemeindeordnung, die einen Teil (A) des „Selbstverwaltungsgesetzes“ vom 27.9.1948 bildete (Müller 1995, S. 208). Trotz wiederkehrender Novellierungen (so schon 1954) bildete diese Gemeindeordnung die Grundlage aller Verfassungs- und Verfahrensbestimmungen im Zusammenhang der kommunalen Selbstverwaltung der Nachkriegszeit.

Die Gemeindeordnung setzte die Regeln für die Verfassung (I. Teil), Verwaltung (II), die Einrichtungen (III) und die Wirtschaftsbetätigung (IV) der Gemeinden. Dieses Gesetz, das auf maßgebliche Initiative der Kommunalverbände bzw. der engagierten Stadtverwaltungen zustande kam, schuf nunmehr ein einheitliches demokratisches Gemeinderecht für das Land Rheinland-Pfalz. In Details wurde es mehrfach verändert, behielt jedoch seine Grundstruktur bis zu den wirklich einschneidenden Veränderungen gegen Ende des 20. Jahrhunderts bei. So gibt es seit 1989 die Möglichkeit der Mehrfachauswahl von Gemeinderatsbewerbern und damit zur Anhäufung („Kumulieren“) und Aufteilung („Panaschieren“) von Stimmen. Die Direktwahl der Bürgermeister wurde erst 1994 durchgesetzt.

Das „Selbstverwaltungsgesetz für Rheinland-Pfalz“ von 1948 (Ausschnitt des Titelblatts), aus: Gesetz- und Verordnungsblatt der Landesregierung Rheinland-Pfalz. Teil 1, Landesgesetze, Landesverordnungen, Landesverfügungen, Bekanntmachungen, Nr. 32, 29.9.1948.

Die heutzutage in Rheinland-Pfalz weitgehend einheitliche Kommunalverfassung war nach 1945 in viele Varianten zerfallen, weil „die verfassungsmäßige Ordnung“ der Gemeindewahlen durch Grundgesetz (Art. 28, 1) in den Händen der Länder lag. Zu den zentralen Vorgaben im Nordteil der französischen Besatzungszone hatte nämlich anfangs gehört, dass Bürgermeister und Beigeordnete aus der Mitte des Rats – also nicht durch die Bevölkerung – gewählt werden sowie ehrenamtlich agieren sollten. Die Ratswahl Das war der größte Gegensatz zur ansonsten ähnlichen Süddeutschen Ratsverfassung, die die Volkswahl vorsah. Das ursprünglich geltende Ehrenamts-Prinzip war dem französischen Munizipalsystem gefolgt, das im linksrheinischen Teil von Rheinland-Pfalz insofern eine Tradition hatte, als der Raum ab spätestens 1794 militärisch besetzt und 1801 sogar zu Frankreich geschlagen worden war. Seine Bevorzugung beruht aber möglicherweise weniger auf Überlegung denn auf Unbedachtheit (so Peter Heil).

Die Ehrenamtlichkeit jedenfalls sorgte dafür, dass die Attraktivität des verantwortungsvollen Amtes unmittelbar nach dem Krieg geschmälert wurde – und damit vermutlich auch die Leistungsfähigkeit der kommunalen Verwaltungen in dieser überaus wichtigen Phase. Für diese unentgeltliche Arbeit stellten sich nur wenige Personen zur Verfügung, und manche sahen sich veranlasst, sich aus vor allem finanziellen Gründen vom Amt zurückzuziehen (Krauss 1956, S. 337–341).

Die neue Gemeindeordnung von 1948 bestimmte als Teil des „Selbstverwaltungsgesetzes“ die Voraussetzungen der Gemeindeverwaltung, in erster Linie des Stadt- bzw. Gemeinderats. Demnach kam es dem Bürgermeister zu, „als der verantwortliche Leiter die gesamten Gemeindeangelegenheiten“ zu verwalten (§ 39). Er führte die Gemeindevertretung und besaß, anders als die nur beratenden Beigeordneten, Stimmrecht (§ 30). Während die Ratstätigkeit weiterhin als Ehrenamt galt, für die nur eine Aufwandsentschädigung möglich sein sollte (§ 23), sollte das Bürgermeisteramt in Gemeinden über 10.000 Einwohner künftig hauptamtlich geführt werden (§ 40, 2). Per Gemeindesatzung sollte unter Ausnahmegenehmigung der Aufsichtsbehörde die Hauptamtlichkeit auch bei Gemeinden ab 2.000 Einwohnern möglich sein (§ 41, 1). Jede Gemeinde sollte dem Bürgermeister zwei, in kreisfreien Städten maximal fünf Beigeordnete „zur Unterstützung und als Vertreter“ an die Seite stellen, die dort ebenfalls hauptamtlich fungieren konnten (§ 41, 2). Bürgermeister und Beigeordnete bildeten zusammen den Gemeindevorstand. In kreisfreien Städten war die Amtsbezeichnung des Bürgermeisters „Oberbürgermeister“, während der erste Beigeordnete „Bürgermeister“ genannt wurde (§ 40, 1). Die Bürgermeister regelten bzw. delegierten alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung (§§ 46–47), wobei bestimmte Obliegenheiten auch Gemeindeausschüssen überantwortet werden konnten, die von der Gemeindevertretung zu wählen waren (§ 49–50).

Bürgermeister und Beigeordnete wurden weiterhin durch die Gemeindevertretungen per Stimmenmehrheit gewählt (§ 42, 1). Die ehrenamtlichen Stadtspitzen fungierten nur für die Dauer der Wahlperiode, die hauptamtlichen je nach Gemeindesatzung über 8 bis 12 Jahre (§ 42). Bürgermeister und Beigeordnete waren nicht automatisch in eigener Person Mitglieder des Rats, konnten aber bereits amtierende Ratsmitglieder sein. Sie mussten dem Wortlaut nach nicht politischen Parteien oder Wählergruppen angehören, doch hatten nur ebendiese das Recht, Wahlvorschläge zu machen (§§ 21–26).

Die Mitglieder der Gemeindevertretung (Stadt- bzw. Gemeinderat) hatten „von den Bürgern der Gemeinde in allgemeiner, gleicher, geheimer, unmittelbarer und freier Wahl auf die Dauer von vier Jahren gewählt“ zu werden (§ 25). Dies wurde in einem Gemeindewahlgesetz geregelt, das separat am selben Datum erlassen wurde („Landesgesetz über die Wahlen zu den Gemeinde-, Amts- und Kreisvertretungen“). Demnach hatte jeder männliche und jede weibliche gemeindlich gemeldete Person ab dem vollendeten 21. Lebensjahr das Wahlrecht inne (§ 1). Die Ausstellung der Wahlscheine oblag den Bürgermeistern (§ 20). Keinen Wahlschein und damit keine Wahlberechtigung erhielten Personen, die im Zuge der „politischen Säuberung“ der „Gruppe der Hauptschuldigen“ zugewiesen worden waren (c), in der Gruppe der „Minderbelasteten“ das Wahlrecht abgesprochen bekommen hatten sowie Verdächtige, die noch ohne Bescheid waren (d). Jeder Wähler hatte nur eine Stimme („Einheitsstimmzettel“, §§ 30–31). Sie entfiel auf eine der zugelassenen Parteien bzw. Wählergruppen (§§ 21–24) und auf eine bestimmte Person. In den Stimmbezirken kontrollierten vom Bürgermeister eingesetzte Wahlvorstände die Ordnungsgemäßheit der Wahl (§ 27). Wählbar für ein aktives Amt waren alle wahlberechtigten Personen mit mindestens 25 Lebensjahren, die nicht als „Minderbelastete“ (oder darüber hinaus) klassifiziert worden waren.

Die quantitative Zuteilung der Gemeindevertretungssitze richtete sich nach der Reihenfolge der Höchstzahlen (§ 35). Kandidaten, auf deren Partei oder Wählergruppe weniger als 5% der gültigen Stimmen entfielen, blieben bei der Verteilung von Mandaten unberücksichtigt (Sperrklausel nach § 35, 2). Die Zahl der Gemeinderatsmitglieder wurde nun differenzierter bemessen und im Ganzen erhöht (§ 6): Gemeinden mit 3.001 bis 10.000 Einwohnern wurden 19 Gemeinderatsmitglieder zugewiesen, bis 20.000: 25, bis 40.000: 31, bis 100.000: 37, über 100.000: 45.

Das Kommunalwahlrecht in Rheinland-Pfalz hat in mehrerlei Hinsicht Veränderungen durchlaufen (Danzer 2004, S. 72–75, umfassend zur aktuellen Rechtslage: Lehmler / Unglaub 2019). Hingewiesen sei nur auf die seit 1989 bestehende Möglichkeit zum „Kumulieren“ (= mehrfache Stimmvergabe für eine Person), „Panaschieren“ (= Stimmvergaben auf verschiedenen Listen) und das Streichen von Personen, außerdem auf die Direktwahl der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister seit 1994.

Literatur

  • Danzer, Stephan, Kommunalwahlsystem ermöglicht mehr Einfluss auf Wahlvorschläge und steigert Identifikation, in: Statistische Monatshefte Rheinland-Pfalz 5 (2004), S. 67–75 [online].

  • Heil, Peter, „Gemeinden sind wichtiger als Staaten“: Idee und Wirklichkeit des kommunalen Neuanfangs in Rheinland-Pfalz 1945–1957 (= Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Bd. 21), Mainz 1997.

  • Korte, Karl-Rudolf, Kommunalwahlen. Wahlen in Deutschland: Grundsätze, Verfahren, Analysen, hg. von der Bundeszentrale für politische Bildung / bpb, Bonn 2017 [online].

  • Kraus, Emil, Die Bürgermeisterverfassung in Rheinland-Pfalz, in: Hans Peters (Hg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 1: Kommunalverfassung, Berlin u.a. 1956, S. 334–359.

  • Lehmler, Franz / Unglaub, Manfred, Rheinland-pfälzisches Kommunalwahlrecht mit Erläuterungen. Ein Wegweiser für die Kommunalwahlen, 17. Aufl., Neustadt an der Weinstraße 2019.

  • Möhler, Rainer, Politische Säuberung im Südwesten unter französischer Besatzung, in: Kurt Düwell / Michael Matheus (Hgg.), Kriegsende und Neubeginn. Westdeutschland und Luxemburg zwischen 1944 und 1947 (= Geschichtliche Landeskunde, Bd. 46), Stuttgart 1995, S. 175–192 [online].

  • Salzmann, Heinrich / Schunck, Egon, Das Selbstverwaltungsgesetz für Rheinland-Pfalz in der Neufassung vom 5. Oktober 1954 (GVBl. S. 117), 2. Aufl., Siegburg 1955.

  • Stubenrauch, Hubert, Kommunalrecht Rheinland-Pfalz, Baden-Baden 2022.

  • Stubenrauch, Hubert, Städte, Landkreise, Verbandsgemeinden und Gemeinden. Das rheinland-pfälzische Kommunalsystem im Überblick, hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, Mainz 2011 [online].

  • Verordnungsblatt der Landesregierung Rheinland-Pfalz (Koblenz) 1 ff.

  • Wikipedia, Artikel „Kommunalwahlrecht (Rheinland-Pfalz)“ [online].

 

Verfasser: Stephan Laux (27.7.2023); letzte Veränderung: 29.2.2024.